Montag, 18. Juli 2011

Nacht. 04. - 05. April

Ich bin bei L. Wir lachen, haben Spaß. Es ist super wie immer. 
Plötzlich bekomme ich Bauchschmerzen. Mir geht es nicht mehr so gut. Irgendwas ist passiert. 
Mein Handy klingelt. E ruft an, deine Schwester. Sie fragt, ob du bei mir bist. Sofort bekomme ich krasses Herzklopfen. Ihre Stimme klingt sorgenvoll. Ich verneine. Außer L und mir ist niemand da. Wir haben sturmfrei. Ich fange an mir Sorgen zu machen. E erklärt, du seist bei einem Freund gewesen und bisher nicht zurück gekommen. Es ist fast mitten in der Nacht! Ich werfe einen flüchtigen Blick auf die Uhr: 00.37 Uhr. Oh nein. An dein Handy geht niemand ran. Ich habe schon vor Stunden aufgehört mit dir zu schreiben. L schaut mich an und nimmt mich in den Arm. E verspricht sich zu melden, wenn es etwas Neues von dir gibt, und legt dann auf. Ich starre mein Handy an. Das kann nicht wahr sein. L schlägt vor erstmal schlafen zu gehen. Ich kann nicht schlafen. 

Ich liege lange wach. Weine still. Was ist passiert? Wo bist du? Verdammt. Ich wache früh auf, habe es doch noch geschafft zu schlafen. Die Sonne blendet mich, als ich mich aufsetze. Sofort kommst du mir wieder in den Sinn und ich schaue aufgeregt auf mein Handy. Nichts. Also bist du immer noch weg. L frühstückt. Ich bekomme nichts runter. Papa holt mich ab. Ich habe Training. Abi läuft nicht gut. Ich bin gestresst und unaufmerksam. Falle mehrmals fast hin. Meine Trainerin schickt mich nachhause. Papa fragt, was los ist. Du bist verschwunden. Ich habe mir noch nie solche Sorgen gemacht. Das sage ich ihm. Er nimmt mich in den Arm. Er sagt, dass alles wieder gut wird. Ich glaube ihm nicht aber ich hoffe es. 


In meinem Zimmer sitze ich auf meinem Bett und weine. Mein Handy liegt vor mir. Sagt nichts. Sonst schreibe ich immer mit dir. Den ganzen Tag. Ich vermisse es so. Irgendwas ist mit dir. Mir geht es noch etwas schlechter als vorher. Es ist was passiert. 

So geht es fast zwei Tage. Zwei Tage ohne dich. Zwei Tage im Unwissen. Zwei Tage lang habe ich nichts gemacht, außer nachgedacht und geweint. Dann ruft E an. Mein Herz schlägt wieder schneller. Es gibt etwas Neues von dir. Sie erklärt, dass du gefunden wurdest. Lebend. Du lebst. Ich fange wieder an zu weinen - diesmal vor Freude. E erklärt weiter. Sie haben dich unter einer Brücke gefunden. Du warst ganz allein und nackt. Es sei ein Wunder, dass du nicht erfroren bist. So warm ist es draußen noch nicht. Ein Arzt hat festgestellt, dass du vergewaltigt wurdest. Mehrmals. Du bist versorgt worden und bist schon wieder zuhause. Ich frage, ob ich dich besuchen kann. Deine Mutter verbietet es. Sie mag mich nicht. Ich weiß nicht wieso. 

Zwei weitere Tage ohne dich. Du bist nicht in der Schule und wir schreiben nicht. Ich vermisse dich so schrecklich. Am dritten Tag stehe ich einfach vor deiner Haustür. Ich kann so nicht mehr. Deiner Mutter erkläre ich, dass ich nichts dafür kann, dass sie mich nicht mag. Ich muss dich einfach sehen. Sie lässt mich zu dir. Du sitzt wie ein Häufchen Elend auf deinem Bett in der Ecke, fängst aber an zu strahlen, als du mich siehst. Ich hab dein Lächeln so vermisst. Ich kann nicht beschreiben, wie glücklich ich bin, als ich dich umarme. Du fragst, wie es mir geht, deine Schwester habe erzählt, wie große Sorgen ich mir gemacht habe. Mir geht es super, weil du wieder da bist. Dir geht es nicht so toll. Du hast Schmerzen und bist noch total fertig. Wer auch immer dir das angetan hat, hat dich ziemlich hart ran genommen. Ich möchte töten. Ich möchte demjenigen das Gleiche antun. Nein. Schlimmer. Derjenige soll nachvollziehen, wie scheiße du dich fühlst. Wie scheiße du dich dein ganzes Leben lang fühlen wirst, weil du garantiert nicht vergessen kannst. Du hast das nicht verdient. Ich möchte mit dir tauschen, damit es dir gut geht. 

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Ich habe H von dem Traum geschrieben. Er fand ihn komisch, konnte aber drüber lachen. Ich konnte ihn bisher nicht vergessen. Es war der Schlimmste von den Träumen.